Der Tod des Buchhandels

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Die Diskussionen um den Buchhandel und Amazon, den Giganten am Markt, gehen seit Monaten ja lebhaft zur Sache. Daher möchte ich meine Sichtweise als Autor darlegen.
Ich erinnere mich noch gut an das erste Buch meines Vaters vor 20 Jahren.
Er schrieb es voller Begeisterung, hunderte Nächte verbrachte er damals noch an der Schreibmaschine. Als junger Bengel hörte ich nachts seine Anschläge und war begeistert, mit welcher Energie und Begeisterung er bis in die Morgenstunden seine Werke zu Papier brachte.
Schon während er an seinen Büchern schrieb, nutzte er seine Kontakte im Verlagswesen und berichtete über seine Publikationen, um sie später dann auch veröffentlichen zu können.
Als Diplom-Chemiker schrieb er Fachliteratur und entwickelte Rezepturen über die ersten Bio-Futtermittel. Nicht immer gelang es ihm, das Interesse eines Verlages zu wecken. Die finanzielle Ausbeute mancher seiner Bücher steckte er dann in die Werke, die er im Eigenverlag veröffentlichen musste, da sich dafür niemand interessierte. Was hätte mein Vater gemacht, wenn es damals Selfpublishing gegeben hätte?
Er hätte es sicher genutzt.
Die Situation für uns heutige Autoren hat sich doch unglaublich verändert. Wir sind Manager unserer eigenen Werke geworden, wir sind frei. Natürlich mit allen Schattenseiten der Selbständigkeit. Wir schreiben, so geht es mir zumindest, weit weniger an unseren Werken, denn ein Großteil der Zeit geht ins Marketing. Ich lese immer wieder, dass Autoren schreiben, ihre Arbeit sei eine reine Freizeitbeschäftigung. Natürlich mag das bei vielen so sein, aber es kann mir keiner erzählen, dass Schreiben Freude macht, wenn später niemand das Werk liest.
Ansporn, weiter zu schreiben, kommt nur dann, wenn Erfolg da ist. Und Erfolg ist ganz einfach sichtbar: an den Umsatzzahlen.
Wir Autoren waren noch nie so frei wie heute, wir entscheiden über unsere Inhalte, über unsere Cover und darüber, ob wir den Weg über den klassischen Verlag gehen oder als Indie-Autor unser Glück versuchen.

Und warum ist das so? Weil es Amazon gibt? Nein, ganz sicher nicht.
Tatsache ist, dass der klassische Buchhandel auf einem sterbenden Ast sitzt. Er hat den Anschluss an die moderne, meist virtuell bestimmte Zeit verpasst.
Ein aufstrebendes Unternehmen hat das erkannt, ausgewertet und den Mut gehabt, alles umzusetzen, was Verlage und Buchhandel verpasst haben.
Wir Autoren hatten nie zuvor so gute Möglichkeiten wie in der Gegenwart, Geld mit unseren Werken zu verdienen. Wir haben Einblick in Umsatzstatistiken, können die Wirkung unserer Marketing-Strategien an den Verkäufen sehen und wissen im Vorfeld, welche Einnahmen wir pro verkauftes Werk haben werden.
Und genau aus dieser Veränderung ist ein weiterer Markt entstanden: der Markt der Dienstleister.
Kaum ein Autor ist in der Lage, sein Buchcover selbst zu gestalten, seine Texte selbst zu lektorieren und auch sein Marketing ganz alleine durchzuführen. Und so entstehen meist Ein-Mann-Firmen, die uns Autoren diese Arbeiten abnehmen. Leider, so empfinde ich das persönlich, agieren viele dieser Dienstleister noch unter dem Begriff Verlag. Aber das sind sie nicht. Sie sind Helfer, die uns mit ihrer Erfahrung unterstützen und uns Teile der anfallenden Arbeiten abnehmen.
Einen Verlag erkenne ich daran, dass das Geld immer vom Verlag zum Autor wandert und niemals umgekehrt, Verlage und Verleger brauchen finanzielle Reserven, denn nicht jeder unter Vertrag genommene Autor wird Geld einbringen. Es ist eben nicht immer vorhersehbar, was sich der Leser gerne an Literatur zulegen möchte. So kommt es, dass in Verlagen häufig wenige Bestseller-Autoren die weniger erfolgreichen mitfinanzieren. Ein wirtschaftlich ganz normaler Vorgang.
Und bei den Dienstleistern gibt es – wie überall – seriöse und unseriöse Vertreter des Berufsstandes.
Unseriös wird es bei den Rechnungen, wenn mehrere Tausend Euro in Rechnung gestellt werden für Leistungen, die ein klassischer Verlag inklusive anbietet.
Ist das der Fall, spricht man von den bösen Druckkostenzuschuss-Verlagen. Diese versprechen einem, als Autor reich zu werden. Dies geschieht oft bereits, bevor sie auch nur eine Leseprobe des Werkes vorliegen haben. In den sogenannten Autorenverträgen sind Tantiemen-Rechenbeispiele aufgeführt, aus denen schnell ersichtlich wird, dass Millionen Bücher verkauft werden müssten, bevor für den Autor etwas übrig bleibt. Und viele von uns Autoren haben mit diesen schwarzen Schafen ihr Lehrgeld bezahlt. Aber auch diese Erfahrung gehört eben zum Manager-Dasein in der Welt der Literatur.
Aber es gibt eben auch die seriösen Dienstleister in der Buchbranche, die uns mit viel Einsatz und Mühen zum kleinen Preis helfen, unseren Wunsch nach einem gelungenen, absatzfähigen Werk zu verwirklichen. Und im Laufe der Jahre bilden wir unser eigenes Team, das uns oft täglich hilft, uns konstruktiv kritisiert und das Gefühl gibt, dass jemand an unserer beruflichen Seite ist.
Sei es der Cover-Designer oder die Cover-Designerin, die ihre Kreativität einfließen lassen, sei es der Lektor oder die Lektorin, die das Maximum aus unseren Texten herausholen, oder Internet-Fachleute, die sich darum kümmern, dass unsere Werke und unsere Autoren-Seiten gefunden werden. Alle Beteiligten sind Teil des Erfolges und der Weg bis zum Erfolg kann lange sein. Aber alle diese Dienstleister werden nur dann dauerhaft eigenen Erfolg haben, wenn sie uns Autoren zum Erfolg bringen.
Werfe ich einen Blick in meine Abrechnungen, dann kann ich nur sagen, 98 % der Tantiemen stammen von Amazon. Und ich hatte in alle den Jahren noch nie den Fall, dass die Gelder nicht pünktlich auf dem Konto waren. Ist es im Buchhandel so, dass ich nach einem Jahr eine Abrechnung bekomme, die ohne jede Nachvollziehbarkeit und Transparenz ist, sehe ich bei Amazon taggenaue Berechnungen und die Gelder sind 6 Wochen später auf dem Konto.
Natürlich ist Amazon ein Global Player, aber man lässt uns Autoren am Erfolg teilhaben.
Die 2013 von der ARD recherchierten Arbeitsbedingungen bei Amazon habe ich damals kritisiert und sehe das auch heute noch so, aber das Unternehmen hat Veränderungen durchgeführt. Dank eines offenen, freien Journalismus in unserem Land. Dass gegen ein Unternehmen, das den gesamten bestehenden Buchmarkt zum Untergang verdammt hat, geschossen wird, ist verständlich.
Hätte der klassische Buchhandel aber die Zeichen der Zeit erkannt, wäre Amazon nicht in der Lage gewesen, eine Monopolstellung zu erreichen. Und wir Autoren hätten es nicht geschafft, unsere Werke einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Meiner Einschätzung nach wird der klassische Buchhandel in den nächsten 5 bis 10 Jahren verschwinden. Buchhandlungen werden schließen, die Lebensmittel- und Handelsketten werden ein umfangreiches Sortiment an Literatur in ihren Filialen aufnehmen und auch im Printbereich von Amazon beliefert werden (wie bei der Deutschen Post, da gibt es ja auch fast nur noch kleine Zweigniederlassungen in Supermärkten usw.). Die Buchpreisbindung wird dann aufgehoben sein und es wird ein weiter Wettbewerb entstehen. Schon im Jahr 2000 kam die Monopolkommision zu der Entscheidung, dass bei einem Fall der Buchpreisbindung das Kulturgut Buch keiner Gefahr ausgesetzt sein würde.
Das glaube ich persönlich auch. Es wird ein Wettbewerb entstehen und den Vorteil daraus werden die Verbraucher – unsere Leser – ziehen. Sie werden zwischen unterschiedlichen Varianten der Print-Bücher entscheiden können. Der größte Teil des Literaturvertriebes wird digital erfolgen.

Und was heißt das alles für uns Autoren?
Wir werden lernen müssen, uns besser zu vermarkten, oder wir müssen eben den anderen Weg gehen, uns von professionellen Dienstleistern vermarkten zu lassen. Viele Autoren leiden unter einer ausgeprägten Depression des Abwartens. Aber mit Abwarten wird sich nichts ändern. Auch wenn wir die Entwicklung im Buchmarkt nicht für gut ansehen, er wird unaufhaltsam weitergehen.
Wir sollten die Fakten akzeptieren und uns dem neuen Markt stellen. Wir sollten vom Einzelkämpfer zum Teamplayer umstellen.
Zum Glück entscheidet nur eine einzige Gruppe über den Erfolg oder Misserfolg unserer Werke und das ist der Leser.
In diesem Sinne Euch allen ein schönes Wochenende.
Martin Bühler

Martin Bühler

Martin Bühler

Mein Lebensmotto war und ist: Das Leben schreibt die interessantesten Storys.

7 Kommentare zu “ Der Tod des Buchhandels

  1. Da kann ich Ihnen in jedem Punkt zustimmen, mit Ausnahme dem Thema Buchpreisbindung. Ein Wettbewerb über den Preis, den Sie bei einem Fall der Buchpreisbindung zu Recht prognostizieren, wird letztendlich die Autorinnen und Autoren benachteiligen. Aber auf jeden Fall ist Ihr Beitrag eine sehr kluge, zutreffende Analyse.

  2. Auch ich muß dir im großen und ganzen recht geben, sehe aber auch die gefahren des Preiswettbewerbs. Das wird zur Folge haben, dass immer weniger für die AutorInnen übrig bleibt, da zusätzlich mit der Möglichlicjhkeit des Selfpublishing auch immer mehr Angebote sorgen wird. Es ist jetzt schon so, dass nur ein kleiner Prozentsatz von Autoren vom Schreiben leben kann, ein etwas größerer von Schreiben+ Lesungen+ Marketing+ Kurse geben (usw.), die meisten aber noch nebenher (lohn-)arbeiten müssen oder sich mit den Jobcentern rumärgern. Und das wird in Zukunft noch schlimmer werden.
    Langfristig wird es auch zum Schaden der Leser sein, dass es dann nur noch Bestseller, z. T. mit fragwürdiger Qualität problemlos im Supermarkt zu kaufen gibt und der Rest mit mühsamen Recherchearbeiten im Netz gesucht werden muss.
    Auch da wird gutes Marketing nur begrenzt hilfreich sein, da es dann auch ein Massenphänomen sein wird. Die Nadel im Heuhaufen zu finden isrt schon schwer, aber die richtige Nadel im Nadelhaufen zu finden ist fast unmöglich.

    • Hallo Herr Braun,
      viele meiner Autoren Kollegen tätigen wirklich zwei Jobs, den Brotjob und den Leidenschaftsjob.
      So bezeichne ich das gerne.Es wird abzuwarten sein, aber ich befürchte der Zug ist angefahren für den Buchhandel.
      Danke für Ihren Kommentar.
      Beste Grüße:
      Martin Bühler

  3. Es ist ein bitteres Fazit, dem ich mich nüchtern anschliesse. Die vergangenen Jahre wurde meine Euphorie als Leser (und Marketingberater) für die wachsenden Möglichkeiten, die Digitalisierung, Netz und Netzwerke für den Buchmarkt offerieren, von den etablierten Akteuren deutlich gebremst. Dennoch habe ich mich – als es mal wieder an amazon eskalierte – eingemischt, aus der vergleichsweise angenehmen Position des Lesers: http://thomasbrasch.wordpress.com/2014/08/21/deutschlands-autoren-im-wolkenkuckucksheim/ . Es fällt irgendwann schwer, einen zynischen Standpunkt zu dem Gehabe der saturierten Kräfte in der Branche zu vermeiden. Noch wehre ich mich.

  4. Dieser Artikel bringt es auf den Punkt!
    Die allgemeine Neigung der Medien, der Verlage und der diversen Buchbranchen-Dinosaurier, Amazon als giftiges Monster und Alleinschuldigen am Untergang der klassischen Buchbranche dazustellen, ist völliger Unsinn. Der Buchmarkt macht – genau wie viele andere Sparten zuvor – einen unausweichlichen Wandel durch und wird sich komplett neu aufstellen.
    Auch ich glaube, dass der stationäre Buchhandel, so wie wir ihn kennen, in absehbarer Zeit verschwinden wird. Dies ist nichts, was wir feiern oder besonders gut finden sollten aber es ist eine Tatsache. Und genau wie es von jeher der Fall war, sind die konservativen Vertreter und auch Beobachter, die nicht mit der Materie vertraut sind oder sich gerne von den Medien beeinflussen lassen, dagegen. Einfach, weil Veränderung meist Angst verursacht.
    Doch das ist falsch. Veränderung kann neue Wege aufzeigen, neue Vorteile für Autoren UND Leser schaffen. Und selbst wenn sich Kauf- und Veröffentlichungsverhalten um 180° ändern, muss dies keine schlechte Entwicklung sein.
    Es wurde einfach Zeit. Und der klassische Buchhandel hat die Zeichen übersehen oder ignoriert. Leider.
    Was allerdings noch niemand wirklich beschreiben oder gar absehen kann ist, wo diese Reise am Ende tatsächlich hinführt. Ich bin jedenfalls gespannt!
    Eine wunderbare Zusammenfassung/Prognose, Herr Bühler! :D

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